06.05.2018 Diskussion zur geplanten Schließung des Klinikums Kehl
Die unter dem Titel »Agenda 2030« laufende Zukunftsplanung des Ortenau-Klinikums treibt die Bürger um. Auf einer von der Kehler SPD initiierten Podiumsdiskussion am Freitag wurde im Zedernsaal zweieinhalb Stunden über die Zukunft des Kehler Krankenhauses diskutiert.
Das im April vorgestellte Gutachten des Beratungsunternehmens Lohfert & Lohfert spricht eine deutliche Sprache: Die Erhaltung aller Klinikstandorte (»Modell Landrat«) würde dem Kreis Jahr für Jahr 25 Millionen Euro Defizit bescheren, während eine konzentrierte Klinikstruktur mit drei oder vier Häusern Gewinne abwerfen würde. In diesem Szenario wäre das Kehler Krankenhaus in zwölf Jahren Geschichte.
Landrat hatte keine Zeit
Rund 100 Bürger waren zu der vom Kehler SPD-Chef Eric Bauer moderierten Podiumsdiskussion in den Zedernsaal der Stadthalle gekommen. Neben Wolfram Britz, Vorsitzender des Fördervereins des Kehler Krankenhauses und Gemeinderat, saßen der Arzt Georg von Plehn, der Offenburger Kreisrat Christoph Jopen und Robert Büchel, kaufmännischer Vorstand der Diakonie Kork, auf dem Podium. Bauer bedauerte, dass weder Landrat Frank Scherer noch der Geschäftsführer des Ortenau-Klinikums, Christian Keller, Zeit für die Diskussionsrunde gefunden hatten. So musste sich vor allem Christoph Jopen als Mitglied des Krankenhausausschusses den kritischen Fragen der Kehler stellen.
Jopen legte dar, dass der Trend bundesweit hin zu einer Konzentration der Klinikstandorte gehe, um die Qualität zu steigern. Auch vom Land sei dies gewollt. Mit dem »Modell Landrat«, dem Erhalt aller Häuser außer Gengenbach bis 2030, habe sich der Kreis eine »Verschnaufpause« verschafft. Kehl werde dabei durch die Verlegung der Orthopädie von Gengenbach sogar profitieren.
Jopen: Qualität entscheidet
Der Annahme, dass die Konzentration rein wirtschaftliche Gründen habe, widersprach Jopen. Vorrangige Kriterien seien die Qualität, die Notfallversorgung und die Personalsituation gewesen. »Eine optimale Behandlungsqualität an acht Standorten ist nicht zu halten«, sagte er. »Auch für Ärzte sind große Kliniken mit vielen Fachrichtungen als Arbeitsplatz attraktiver.« Die zentralen Großkliniken müssten dabei jedoch von einem »Kranz von Notfalleinrichtungen« umgeben sein. So werde am Standort Kehl auf jeden Fall eine ambulante Notfallpraxis mit Rettungswagen verbleiben.
Britz: Fachpraxen könnten abwandern
Wolfram Britz befürchtete, dass Kehl mit dem Verlust des Krankenhauses auch eine Abwanderung der Facharztpraxen erleben könnte. Eine Ansicht, die Hausarzt Georg von Plehn teilte. »Die Infrastrukturkosten für eine Praxis sind enorm gestiegen«, sagte er. »Da sind Kooperationen nötig, um Synergien nutzen zu können.« Angesichts der rasanten technischen Entwicklung sei eine gewisse Konzentration notwendig. Dennoch plädierte er wie Britz für den Verbleib eines kleinen Krankenhauses in Kehl, in dem »einfachere« Krankheiten behandelt werden und das durch seine persönliche Atmosphäre und die anerkannt hohe pflegerische Qualität punktet – und so flexibel ist, schwerwiegendere Fälle an die »große« Kreisklinik abzugeben. »Bei guter Zusammenarbeit kann man die kleinen Häuser halten«, zeigte sich von Plehn überzeugt.
Büchel: »Weiche« Faktoren beachten
Auch Robert Büchel von der Diakonie Kork mahnte, die »weichen« Faktoren nicht außer Acht zu lassen: »Wenn jemand in Kehl mit Sturzhelm in die Notaufnahme kommt, wissen sie dort, was zu tun ist, weil sie sich bereits eine gewisse Kompetenz erarbeitet haben.« Woanders hätten Patienten der Diakonie Kork jedoch schon schlechte Erfahrungen gemacht.
Medizinisches Versorgungszentrum als Nachnutzung?
Christoph Jopen dagegen zeigte sich vom Konzept eines Großklinikums in der Mitte der Ortenau überzeugt. Doch während die Stadt Offenburg unlängst für einen Neubau bei Bohlsbach plädierte, bevorzugt Jopen einen Standort nördlich von Windschläg. »Hier spreche ich als Ortenauer Kreisrat und nicht als Offenburger Bürger, der sein Krankenhaus lieber in der Stadt behalten würde«, sagte er. »Die Entfernung von Offenburg, Kehl und Oberkirch wäre in etwa gleich – und das Klinikum ›OKO‹ läge verkehrsgünstig an zwei Bundesstraßen und der Bahnlinie, wo ein S-Bahn-Haltepunkt eingerichtet werden könnte.« Als Nachnutzung für das Kehler Krankenhaus könnte sich Jopen ein Medizinisches Versorgungszentrum vorstellen, in dem rund um eine Notfallpraxis verschiedene ambulante Dienste angeboten werden.
Absage an Volksabstimmung
Während der Diskussion kam auch mehrfach die Forderung nach einer Volksabstimmung auf. Dem allerdings erteilte Jopen eine Absage: »Bürgerentscheide gibt es nur auf Landes- und auf kommunaler Ebene«, sagte er. »Auf Kreisebene ist das nicht vorgesehen.«
Zitat
»Kehl wird als Zonenrandgebiet gesehen«
»Da werden die Entscheidungen in Offenburg von Leuten getroffen, die Kehl als Zonenrandgebiet sehen.«
Georg von Plehn auf die Frage, was eine Portalklinik sei.
»Wir müssen uns alle Optionen ansehen, auch wenn sie sich noch so wahnsinnig anhören.«
Wolfram Britz auf die Frage eines Bürgers nach dem Vorschlag der SPD, das Kehler Krankenhaus aus dem Ortenau-Klinikum herauszulösen und unter städtischer Regie zu betreiben.
»Das Großklinikum ›OKO‹ wäre eine gute Kompromisslösung zwischen Katastrophe und 100 Prozent.«
Christoph Jopen, Mitglied des Krankenhausausschusses des Kreistages
Baden Online; 06.05.2018